Liebe & Donuts oder: was das Leben spielt

20.08.2012 00:00

Es war einer jener grauen, regnerischen Novembernachmittage, einer dieser Tage an denen alles in schweres, bleiernes Grau gehüllt scheint und die trübe, verregnete Stimmung um einen herum so dick ist, dass man sie praktisch schon mit der Hand greifen kann. Sie kennen solche Tage bestimmt. Manchmal hilft es dann, etwas Süßes aufzutreiben, um dem Tag dann doch noch wenigstens irgendetwas abgewinnen zu können.

Genau das war meine Absicht, als ich meine Schritte an jenem Tag zum Eingang einer bekannten Fastfood-Kette lenkte, und kurz darauf mit zwei Donuts in einer Tüte wieder herauskam.

Nicht ganz heraus - ich tat gerade noch den zweiten Schritt hinter die Eingangstür, als ich aus dem Augenwinkel noch unscharf eine Bewegung wahrzunehmen glaubte, und kurz darauf...

etwas wie ein Vorschlaghammer meine linke Seite rammte. Es tat höllisch weh. Die Tüte mit den beiden Donuts flog in hohem Bogen davon und ich in ungefähr derselben Richtung hinterdrein, nur nicht ganz so weit. Die Landung auf dem Hosenboden ist mehr als nur unsanft, und ich habe das Gefühl, irgendjemand versucht, alle meine Knochen in einen Sack zu stopfen - in einen Sack, der viel zu klein dafür ist. Irgendwo in meinem verschwommenen, nebelverhangenen Gesichtsfeld, das sich noch immer dreht, ein erschreckter Aufschrei, ein metallisches Klappern.

Ich zähle im Geist meine Knochen durch, stelle fest das alles noch da ist, und offensichtlich auch noch alles so einigermaßen ganz. Als mein Gesichtsfeld wieder etwas klarer wird, und die Kaleidoskop-Perspektive langsam verfliegt, quäle ich mich mühsam und schmerzgepeinigt auf die Beine. Das erste was in meinem Gesichtsfeld wieder einigermaßen klar zutage tritt, ist ein frecher blonder Lockenschopf, mit einem sehr erschreckt-blassem Gesicht darunter und einem fürchterlich zerknirschten Ausdruck.

"Ich habe... musste die ganze Zeit auf Sie gucken, und dann haben Sie noch einen Schritt gemacht, und dann... Es tut mir leid... Haben Sie sich sehr weh getan?" kam die besorgte Frage gleich hintennach. Mein inneres Ego zupft mich am Ärmel und verrät mir, dass irgendwas an diesem Satz ein wenig nach Kompliment klingt, und dass das recht gut tut. Mit einem gequälten, leicht von Schmerzen verzerrten Lächeln antworte ich: "Nein, es geht schon, alles heil geblieben... Machen Sie das immer so?" - "Mein Gott..." kam nur noch als entsetzte, leise Antwort aus der Richtung des Blondschopfs, der mich zu allem Überfluß noch nicht einmal persönlich, sondern ganz schnöde mit dem Fahrrad gerammt hatte. 'Aber hübsch ist sie eigentlich' flüstert mir mein heimliches Ego ins linke Ohr. Und ich muß meinem Ego da durchaus Recht geben. "Aber ihre Donuts sind hin", stellt Blondschopf dann lakonisch fest und deutet auf die relativ durchweichte Tüte, die ihr Leben langsam zerweichend in einer Pfüte aushaucht. "Ich hol Ihnen noch welche - das ist das Mindeste was ich tun kann" - sprach's und verschwand im Eingang. Mein Blick folgte ihr, immer noch mit etwas schmerzhafter Mühe, klar zu sehen.

Heraus kam sie mit einer ganzen Schachtel voller Donuts von getdonuts - es müssen wohl um die fünfzehn gewesen sein - vermutlich alles, was die Theke drin noch vorrätig hatte. Und nachdem kein Mensch fünfzehn Donuts alleine essen kann, verzehrten wir sie beide gemeinsam unter dem schützenden Dach meines geparkten Wagens, im Verlauf der nächsten vielleicht zwei oder drei Stunden. Beinahe zwei Jahre ist jener denkwürdige Tag nun her, und mein Steißbein schmerzt noch immer bei dem Gedanken daran - aber seit damals ist jedenfalls eines klar: Wir lieben beide Donuts und ich liebe diese verrückte, fröhliche und absolut kompromißlose Frau, deren Sympathie und Begeisterung schon durchaus auch einmal dazu führen kann, dass sie einen schlicht einfach mit dem Fahrrad über den Haufen fährt.
 alt


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